Jurierung: Architektur als gemeinsame Sprache
23 Arbeiten hat die international zusammengesetzte Jury am Hawa Student Award 2023 beurteilt. Das Gremium favorisierte Projekte mit grosser Nutzungsflexibilität und kleiner Eingriffstiefe.
Der Ort für die Jurierung des Hawa Student Awards 2023 hätte nicht passender sein können: Die Räume des Architekturforums Zürich im Erdgeschoss der Siedlung Zollhaus nahe des Zürcher Hauptbahnhofs. Der 2021 fertiggestellte Gebäudekomplex ist die gebaute Umsetzung dessen, was in der Ausschreibung des Awards gesucht wurde: «Raum für ein ganzes Leben». Mit Geschäften, Büros, Kinderkrippe, Restaurant, Theater und Wohnungen aller Grössen bis hin zum experimentellen Hallenwohnen macht das Zollhaus Angebote für viele Lebenslagen. Ob die 23 im Architekturforum aufgehängten Arbeiten eine ähnlich gute Lösung wie das Zollhaus zeigen, sollte die Jury an einem regnerischen Novembertag klären. Auch wenn die Gespräche über die Arbeiten bunt gemischt auf Schweizerdeutsch, Hochdeutsch und Englisch liefen, hatten die acht Jurorinnen und Juroren mit der Architektur eine gemeinsame Sprache. Kurz nach neun Uhr rief Jurypräsident Dominique Salathé, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, das Grüppchen zusammen – Zeit für den ersten Durchgang. Mit 23 Arbeiten waren ein paar weniger zu beurteilen als in anderen Jahren. Tina Gregoric Dekleva, Professorin an der Technischen Universität Wien, führte das auf die Zeit nach Covid zurück: «Nachdem im Frühling die Massnahmen aufgehoben wurden, ging das Studi-Leben wieder richtig los – da blieb kaum Zeit für Projekte ausserhalb des Semesters.»
Die Jury war sich einig, dass viele Projekte eher konventionelle Lösungsansätze vorschlugen. |
Im ersten Durchgang klebten die Jurymitglieder grüne Punkte auf alle Projekte, die sie interessant fanden. Diese wurden anschliessend eingehend diskutiert. Dabei zeigte sich ein interessantes Phänomen des diesjährigen Awards: Relativ viele Projekte schlagen eher konventionelle Lösungsansätze vor. Für Andrea Deplazes, Professor an der ETH Zürich, ist das gut nachvollziehbar: «Aktuell befinden wir uns in einer Zeit der Unsicherheit – das verleitet dazu, in bewährten Lösungen zu suchen, statt Experimente zu wagen.» Die Jury war sich aber auch einig, dass die Aufgabenstellung mit der Umnutzung einer bestehenden Liegenschaft und ohne klar formuliertes Raumprogramm sehr anspruchsvoll war: «Da muss man aufpassen, sich nicht in der Fülle der Möglichkeiten zu verlieren», brachte es Deplazes auf den Punkt.
Potentiale und Schwachstellen
Die Jury wechselte von Stellwand zu Stellwand, debattierte, kritisierte, lobte und siebte aus. Die Fachleute erkannten rasch, wo die Potenziale oder Schwachstellen eines Projektes stecken. Kritisiert wurde etwa, dass einige Studierende unnötig viele Elemente des Bestandesbaus zerstören wollten oder dass einige Grundrisslösungen nicht die für eine lange Nutzungsdauer wünschenswerte Flexibilität haben.
Die Jury hätte sich von einigen Studierenden gewünscht, dass sorgfältiger mit den Elementen des Bestandesbaus umgegangen wären. |
9 Arbeiten in der zweiten Runde
Nach dem zweiten Durchgang reduzierte sich das Feld auf neun Arbeiten. Diese schaute sich die Jury nochmals vertieft an, verglich, wägte ab und wählte schliesslich aus. Einige Projekte wurden schneller zur Seite gestellt, bei anderen engagierten sich einzelne Jurymitglieder vehement für einen Verbleib in der Endrunde. Schliesslich war man sich einig, die drei besten Arbeiten gefunden zu haben, nun ging es darum, die Reihenfolge zu bestimmen.
Dazu setzten sich die Jurymitglieder in einem Halbkreis um die drei verbliebenen Arbeiten. Im Lauf der Debatte kristallisierte sich mit dem ‹Flexhuus Zürich› ein Favorit für den ersten Platz heraus. Der Jury gefielen vor allem der Ansatz des zweiten Stützenrasters und die Möglichkeit, flexibel Räume zu kombinieren. Ein Siegerprojekt, über das sich Jurymitglied und Hawa Co-CEO Peter Möller besonders freut, zeigte es doch auch spannende Einsatzgebiete für die Produkte seines Unternehmens. Bei den beiden anderen Arbeiten dauerte die Diskussion über die Rangierung länger. Die acht Jurorinnen und Juroren wurden sich aber trotzdem einig, dass die schlichte Lösung des Projekts ‹021DCLS› mehr Potenzial zeigt als diejenige von ‹Fascht e Familie›, die eine Art Dorfplätze im Gebäude für den Austausch unter den Bewohnenden vorschlägt. Einig war man sich aber auch darüber, dass auch die sechs Arbeiten der engeren Auswahl eine finanzielle Anerkennung verdient hätten. Die Jury beschloss, sie mit je 500 Franken zu honorieren, und legte für die ersten drei Plätze ein abgestuftes Preisgeld von 5000, 4000 und 3000 Franken fest. Für Jury-Präsident Dominique Salathé kam der Zeitpunkt, offiziell das Ende der Jurierung verkünden. Am Schluss war klar: Würden die siegreichen Arbeiten der Studierenden in Realität umgesetzt, erhielte das Zollhaus durchaus würdige Pendants.